Appell Ungehorsam – Antrag Hebesatz senken – Ablehnung Stellenplan

Auf der Agenda der Dezembersitzung des Kreistages stehen traditionell die Haushaltsberatungen. In den letzten Wochen beschäftigte sich unsere Kreistagsfraktion intensiv mit der Vorbereitung der Kreistagssitzung am Freitag, den 16. Dezember 2022 und tauschte sich dabei unter anderem auch mit Wolfgang Cavelius, dem Beigeordneten und Stadtkämmerer der Universitätsstadt Siegen aus.

LEBENDIG – LAUNISCH – LIBERAL

Im Kreistag Siegen-Wittgenstein fasst Guido Müller, Fraktionschef der Freidemokraten, die liberalen Ergebnisse gewohnt lebendig und launisch zusammen, appellierte unter anderm bspw. zum „Ungehorsam“, beantragte die Senkung des Hebesatzes auf 34,4 % und lehnte den Stellenplan ab…, aber lesen Sie doch selbst:

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Haushaltsrede 2022

gehalten von Guido Müller, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion im Kreistag Siegen-Wittgenstein:

Meine Damen und Herren, werte Corona,

wenn wir die aktuellen Diskussionen zum Haushalt genau prüfen, dann sehen wir, dass die wenigsten Ausschüsse eine Entscheidung über ihre Einzeletats treffen und diese Arbeit gerne dem Kreistag überlassen. Ein schlechtes Zeichen für die Qualität der Kommunalpolitik. Gerade, wenn der Personal- und Finanzausschuss sich nicht positioniert. Stimmen die Forderungen der Abteilungen?

Da eine halbe Milliarde Euro (plus minus zwanzig-dreißig Millionen) schwer verdaulich sind, hält man sich auch wenig bei den Zahlen auf. Denn kein Einziger hier im Raum, nicht einmal der Kämmerer, kann prüfen, ob die gemeldeten finanziellen Forderungen benötigt werden oder nicht. Wir sehen das gerade aktuell bei 300.000 Euro, die ohne lange Suche im knappen Kulturetat gefunden wurden, um eine gerechte Kulturpolitik in der Fläche (und vielleicht auch fürs Siegener Apollo) zu ermöglichen. Warum sind diese Gelder noch in Finanzplan eingeplant, wenn sie sowieso nicht benötigt werden? Man muss die Kommunen verstehen, wenn sie, wie der Bürgermeister in Wilnsdorf, sauer auf den Kreis reagieren.

Wer macht die bessere Politik?
Die Apollo-Diskussion zeigt auch, worum es im Streit zwischen Kommunen und Kreis wirklich geht: Wer macht die beste Politik für die Region? Wer macht die richtige Politik? Der Stadtund Gemeinderat, der gefühlt näher dran ist? Oder die Kreis-Politik, die den besseren Überblick hat. Meine Meinung in der Kulturpolitik dazu dürfte bekannt sein. Bündeln wir die Kulturpolitik in den Händen des Kreises als hoheitliche Aufgabe. Für die Fläche und für die Großstadt. Kommunen würden entlastet, die Qualität der Projekte würde sich spürbar verbessern. Das ist meine feste Überzeugung. Nach Corona haben wir aktuell mehr Programm als Publikum, das zum Zuschauen kommt. Interessanterweise finden sich für Blockbuster immer noch ausreichend Interessierte. Für eine Vielzahl von Projekten in der zweiten oder dritten Reihe leider nicht. Das Literaturfestival „vielSeitig“ war trotz ausverkaufter Premiere, davon ebenso betroffen, wie die Auslastung unserer Bühnen.

Unser Hebesatz liegt beim 34,4 Prozent
Wenn man den Gordischen Knoten bei der Gemeindefinanzreform nicht durchtrennen will oder kann, dann sollte es Aufgabe der Politik sein, einen fairen Ausgleich zwischen Kommune und Kreis zu finden. UWG und FDP werden daher heute eine Senkung des Hebesatzes auf 34,4 Prozent fordern. Und wir bitten alle Kreistagsmitglieder im Sinne der Zusammenarbeit und Kooperation um die Unterstützung unseres Antrages. Der Kreiskämmerer wird vielleicht argumentieren, dass er dafür keine Genehmigung bekommt. Zeigen wir Arnsberg die Stirn! Die ungleiche Verteilung von Steuereinnahmen und Abgaben zu Lasten der Kommunen ist kein neues Thema. Wenn aber Landespolitik außer mit Sonntagsreden bei diesem Thema nicht weiterkommt, dann ist es an der Zeit mit Ungehorsam Bewegung in das Thema zu bringen.

Und wenn Kommunen, mit der heute hier zu findenden Lösung hadern, dann ist es auch an ihnen, Ungehorsam zu leisten. Einfach mal nicht zahlen oder die gerichtliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Abgaben initiieren. Seien wir einfach weniger brav. Ungehorsam ist die politische Forderung und der Katalysator für Veränderungen. Das ist meine
Überzeugung. Und ich kann die Kämmerer und Bürgermeister nur auffordern, markigen Sätzen in der Presse oder in Ratsversammlungen Taten folgen zu lassen.

Nein zum Stellenplan
Und unter uns, auch der Kreis wäre nicht undankbar, wenn hier Klarheit geschaffen würde. Er müsste nicht Zusatzaufgaben erfüllen und könnte mit weniger Personal besser arbeiten. Denn das wäre natürlich die Folge. Wäre das schlimm? Nein, denn der in Südwestfalen ausgedünnte Arbeitsmarkt macht das Anwerben neuer, qualifizierter Mitarbeiter schwer. Seitens der FDP werden wir den Stellenplan heute ablehnen. Über das Jahr ist es Verwaltung und Politik wieder trefflich gelungen, das Stellenportfolio des Kreises zu mehren. Geködert durch Förderstellen wurde (wieder einmal) die Mehrheit der Fraktionen schwach. Die Steigerung des Personaletats ist auch ein handwerklicher Fehler der Mehrheit des Kreises! Wir Liberale haben 2022 unsere Hand für genau zwei Stellen gehoben. Die Einstellung von Straßenbauingenieuren für die Erschließung von Radwegen für eine schnelle Umsetzung des Radwegekonzept. Eine gute Idee! Ohne diese Stellen – Straßen NRW ist keine Hilfe – werden hier die großen Ansprüche vor 2040 nicht erzielt. Alle anderen Stellen haben wir abgelehnt. Weniger kann mehr sein. Ein schlanker Kreis kann Kernaufgaben
besser lösen. Und davon gibt es einige, die die Zukunft verändern werden.

Wasserstoffantrieb für den ÖPNV: Wir müssen aktiv werden und sagen, was und wie wir es wollen. Wir müssen jetzt die Entscheidung für Ladestationen und Infrastrukturen treffen.

Kommunalisierung des ÖPNV: Ja, hier habe ich Bauchschmerzen, aber alles läuft ab 2028 darauf hinaus. Lasst es uns richtig machen.

Kulturpolitik: Geben wir das in die Hand des Kreises, entfernen wir uns von den Kirchtürmen und denken gemeinsam groß – und schauen wir nicht nur auf die Krönchenstadt sondern auch auf die Fläche!

Tourismus: Verschenken wir nicht die Energie auf Externe. Tourismuspolitik ist Aufgabe für uns, die hier leben. Naherholung first statt Waldbaden für gestresste Großstädter.

Digitalisierung der Verwaltung: Ziel muss es sein, dass 2025 zum Ende unserer Wahlperiode keiner im Regen vor der Zulassungsstelle stehen muss. Keiner muss um Termine beim Sachbearbeiter betteln. Alles geht online. Alle Verwaltungsanfragen sind in vier Wochen beantwortet.

Sozialpolitik: Sind wir ehrlich, die wird im LWL entschieden. Aber wir können die Qualitätsmerkmale wie Nähe, Service oder schnelle Hilfe vor Ort justieren. Die Maßnahmen „Leben im Alter“ werden wichtiger denn je, die aktuellen
Pflegekonzepte, wir haben das heute ja auch auf der Tagesordnung, werden viele Familien in Siegen-Wittgenstein betreffen. Machen wir die Arbeit hier gut.

Krankenhausstruktur: Wir werden uns irgendwann, ich hatte hier schon vor mehr als drei Jahren Entscheidungen vom Land erwartet, über die Krankenhausversorgung vor Ort unterhalten müssen. Ein Rettungsprogramm für die Kinderkliniken ist seitens des Bundes in Aussicht gestellt. Nutzen wir es klug für unsere Kinderklinik. Bauen wir die
Krankenhausversorgung zu einer starken Einheit um. Vielleicht sind wir die einzige Partei, aber: Der Krankenhausverbund, wieder so ein Kampf gegen Dorfkirchen-Denken, ist der Zukunftsweg für die optimale Versorgung vor Ort.

Wisent-Projekt: Abschließend, ich will meine Zeit einhalten, zu den Wisenten. Das Wisent-Projekt ist politisch gewollt. Trennen wir deshalb Verwaltungsauseinandersetzungen vom politischen Willen. Politisch jedenfalls hat die Verwaltung hier gegen unseren Willen gehandelt. Aber man kann Fehler auch wieder gut machen. In der aktuellen Vorlage ist eines jedenfalls gut: Die Verwaltung wird die juristische Frage der Herrenlosigkeit vorantreiben. Hoffen wir, dass Umweltminister Nummer 5 die Unterschrift dazu gibt. So hat der Streit doch etwas Gutes.

Zum Schuss möchte ich an den von mir sehr geschätzten Werner Schulte (CDU) erinnern. Ein kerniger Demokrat mit – vielen – Ecken und Kanten. Ich bin froh, ihn kennengelernt zu haben. An Michael Sittler, der in die zweite Reihe seiner Fraktion gewechselt hat, sende ich ebenfalls Grüße und danke für die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit unter den Fraktionsvorsitzenden. Ihnen allen die besten Wünsche für die Weihnachtszeit. Und lassen Sie uns die Zukunft des Kreises gestalten, nicht nur verwalten. Glück auf!

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